Freitag, 18. Mai 2012

Underground Barbie - Maša Kolanović

"Denn wenn die Bombe ausgerechnet unser Haus treffen sollte und alles in Schutt und Asche versenkte, dann wäre noch nicht alles verloren, wenn meine Barbie in ihrem pinkfarbenen, mit floureszierenden kleinen Zitronen, Ananas und Bananen verzierten Kostümchen, ihrer grün-rosa wassermelonenförmigen Handtasche, der Sonnenbrille und den dazu passenden offenen Stöckelschuhen, wenn also wenigstens meine Barbie unversehrt bliebe."


Ich muss ehrlich gestehen, dass ich mir etwas ganz Anderes unter diesem Buch vorgestellt hatte. Der Klapptext bezieht sich eher auf die Kindheit der Autorin während dem Krieg in Jugoslawien und somit hatte ich gehofft während des Lesens auch etwas für mein Allgemeinwissen tun zu können, da dieser Krieg absolut nicht zum Lehrplan an meiner Schule gehörte.


Das erste Kapitel ließ mich aber noch in dem Glauben und hielt, was der Klapptext versprach. Eine Gesellschaft im Umbruch wurde vielseitig beschrieben, jedoch meiner Meinung nach ungenügend beschrieben. Viele Worte, Personen, und Plätze, die für die Autorin selbstverständlich sind, sind es für mich nicht und auch der Anhang, der versucht mit einem kleinen Nachschlagewerk diesem Bildungsauftrag nach zukommen, schafft es nicht alle Unklarheiten zu beseitigen.

Ein Beispiel hierfür ist folgender Satz:
"Wir [...] zählten beim Gummitwist nicht mehr auf Ra-de Kon-car, wenn wir von einer Seite des sternförmigen Gummis auf die andere hüpften."

Weder im Anhang noch im folgenden Text wird dies übersetzt oder wieder aufgegriffen. Mir fehlt in diesem Büchlein einfach noch ein bisschen mehr Unterfütterung mit Informationen und Details.
Es liest sich dabei aber durchaus gut, nur schwingt immer ein bisschen Frustration über das eigene Unwissen über die Sprache und die Kultur Jugoslawiens mit.
Das hätte durchaus schön gelöst werden können, nämlich mit einem Vorwort. Ich bin normalerweise kein Fan davon, da es sich oft um Bauchpinselei eines Dritten handelt, aber hier wäre eine kurze, aber intensive Einführung in die Geschichte Jugoslawiens sehr angebracht gewesen.

Das gesagt, tue ich mich schwer mit einer Empfehlung für dieses Buch, denn nach dem ersten Kapitel, lässt dieser eingestreute kulturelle Aspekt recht stark nach und es geht wirklich nur noch um die Barbies.
Es liest sich ein bisschen wie das Drehbuch von einer schlechten deutschen Soap und es gibt Liebeleien, Intrigen, Mordanschläge, Eifersuchtsdramen etc.
Dabei sind die Spielgefährten der Protagonistin, und auch sie selbst, sehr abgebrüht. Trotz dass es sich hier um Grundschüler handelt, sind ihre Barbies in zahlreiche Skandalöse Sexeskapaden verwickelt und nehmen dabei kein Blatt vor den Mund.
Die Kinder sind alles andere als desillusioniert; wenn sie spielen, haben ihre Puppen zum Beispiel Berufe fernab von dem schnöden "Sängerin" oder "Model" dem meine Puppen nachkamen (wie die Arbeit im Diätpillengroßhandel - auf der Basis von Steroiden und Hormonen).

Das Buch schließt kurz und knapp: die Freunde der Protagonistin, finden das Barbiespielen irgendwann albern und somit wird die "Kindheit" jäh beendet. Ein Schlusswort schließt sich an (ich nehme einfach mal an, dass es vom eigentlichen Verleger kommt), aber auch dieses ist eher dürftig und preist das Buch hoch an (das hätte man sich wirklich sparen können).

Ich weiß einfach nicht für welche Zielgruppe das gedacht ist. Ich selbst zähle mich zur Generation Barbie (ja, auch als "Erwachsene" kann ich über Barbies noch in Verzückung geraten) und fand es nur bedingt interessant (ehrlich gesagt war ich sogar etwas geschockt, wie viele Sachen die Kinder im Buch doch haben...meine eigene Sammlung wäre von ihnen verhöhnt worden und ich bin nicht in einer Zeit des Krieges aufgewachsen), für Menschen, die sich speziell mit Jugoslawien auskennen, wird das Buch aber sicherlich zu Barbie-lastig und zu inhaltsleer sein.


... ja, ich war im Barbie Flagship Store und ja, ich habe es geliebt.

Ich empfehle dieses Buch also Mitzwanzigerinnen, die einen jugoslawischen Migrationshintergrund haben.
Es ist wirklich ein sehr spezielles Werk, das nur bedingt Einblicke in eine fremde Kultur gibt.


Äußerlich macht "Underground Barbie" durchaus etwas her: es handelt sich um einen festeren Taschenbucheinband, die Seiten sind dick und fast durchgehend mit kindlichen Zeichnungen der Barbie-Erlebnisse illustriert. Farbakzente in, wie sollte es anders sein, pink wurden sparsam auf dem Cover verwendet und sprechen mich wirklich an. Auch die Schrift hat eine angenehme Größe und mach das Lesen wirklich einfach.

Erschienen ist "Underground Barbie" im Prospero Verlang (der übrigens einen lieben Brief beigelegt hatte) und kann im MV Buchshop bestellt werden.
Danke an Blog dein Buch für die Möglichkeit des Lesens.


2 Kommentare:

  1. Es ist schwierig für die Südosteuropäer "für das Westeuropa" zu schreiben...entweder müssen sie sich damit abfinden, dass viel Unkenntniss und Unverständniss der Materie entgegenkommen und es dem Lesen den Reiz weg nimmt, oder müssen sie ihre Bücher mit ganz vielen Marginal-erklär-sternchen beschmücken, für den Westeuropäischen Leser. Damit gehe ich nur auf den Ra-de Koncar Abschnit ein...Mir, als Kroatin ist es sofort klar was damit gemeint worden ist. Da ich aber seit 20 Jahren in Deutschland lebe, ist mir auch klar, dass es dem Deutschem Leser evt. erklärt werden müsste---wenn auch nur ganz vereinfacht---Rade Koncar ist eine Figur die für den 2. Weltkrieg und den Sieg des Komunismus in Yu steht, ist aber in gegebener politischen Situation (Aufbruch), (in der man einen Abstand und ein Sich-weg-lösen von der komunistischen Vergangenheit und auch von Yu, sucht)- nicht mehr "politisch korrekt", bzw. ist nichtmehr aktuell. Eine interne Bemerkung, die, entweder Anwesendheit und Miterleben voraussetzt oder ein starkes Interesse an Entdeckung der Südosteuropäischen Geschichte. Diese Schwierigkeit würde ich dem Werk nicht als fehlerhaft anhängen...eher der mangelhaften Komunikation durch die Jahrzehnte.
    pjesma

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    1. Erst einmal vielen Dank für den sehr aufschlussreichen Kommentar. :)
      Mir persönlich tut es eher Leid, weil das Buch eben nur ein wirklicher Genuss für, wie du schon sagtest Menschen, die es Miterlebt haben oder von vornherein Interessierte, ist. Ich hätte es auch schön gefunden wenn man als Deutscher etwas mehr an andere Länder geführt würde (am besten von Seiten der Schulbildung oder eben durch breiter gefächerte Berichterstattung in den Medien).
      Leider macht das Buch eben eher Frust, als Lust sich näher damit zu befassen.
      Ich hatte hier und da ein paar Sachen gegoogelt, aber mit der Zeit, wird es sehr anstrengend und laut den anderen Rezensionen auf Blog dein Buch, stehe ich damit nicht allein dar. Zugegebenermaßen musste ich mich aber nicht durch die Seiten quälen. Uninteressant war es definitiv nicht.

      Letztlich ist es eben der Autor bzw der Verleger, der entschieden hat, das so in der Form zu veröffentlichen in Deutschland. Er hat sich offensichtlich dagegen entschieden es zugänglicher zu machen für "Unwissende", was für dich das Buch wahrscheinlich überhaupt lesenswert macht, weil es eben nicht auf jeder Seite den Blick durch Fußnoten vom Wesentlichen ablenkt.

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